Daniela Erni

Anita Haldemann, Kuratorin Kunstmuseum Basel

«Mezzotinto Kaltnadelarbeiten 2003/2004»
Ausstellung Galerie Esther Hufschmid, Zürich, 2004


Die rechteckige Vertiefung, die die Kupferplatte auf dem weichen Papier hinterlässt, öffnet einen Raum, der mit einer eindrücklichen Selbstverständlichkeit von unbekannten und doch nicht ganz fremden, tierischen oder pflanzlichen Figuren belebt wird. Diese krabbeln, schwimmen, wachsen oder strecken sich in den Bildraum und wandern in unser Blickfeld. Ihre körperliche Präsenz wird durch das Volumen und die samtene Qualität der Farbe verstärkt. In den grossformatigen, in Blauschwarz gedruckten Blättern, entfalten sich Formen, die wie Fangarme oder Tentakel aussehen. Das Gefühl starker Bewegung scheint in einem Schwung, wie etwa grosszügige, gestische Pinselstriche, entstanden zu sein, doch sind sie das Resultat unzähliger einzelner Bewegungen mit Werkzeugen auf der Platte.

Die Mezzotinto-Technik bedingt eine grossflächige, anstrengende Vorbereitung beziehungsweise Aufrauhung der Platte mit dem Wiegemesser. Mit Dreikantschaber und Polierstahl wird diese Aufrauhung stellenweise wieder geglättet, so entstehen etwa die hellen Linien in den dunkel gedruckten Flächen. Die ursprünglich mit dem Wiegemesser bearbeitete Fläche lässt Daniela Erni wie ein Schatten sichtbar, indem sie sie nicht ganz vollständig glättet. Wie in einem Palimpsest bleiben sie vorhanden.

Den in Kaltnadel ausgeführten Linien der kleineren Blätter merkt man den Widerstand an, den das Metall bietet. Das Kratzen der Nadel an der Oberfläche der Platte wird spürbar. Zu beiden Seiten der Katlnadelvertiefungen stellt sich das verdrängte Metall auf und bildet einen Grat. Dieser feine Grat neben der eigentlichen Linie nimmt zusätzlich Farbe an. Auf dem Abzug zeigt sich dann der Strich als ehöhte Farbablagerung, der Grat als feiner Einschnitt. Es entsteht eine sich dem Grat anschliessende samttonartige Verschattung, die die Farbe wiedergibt, die beim Wischen an den Aussenseiten des Grates haftengeblieben ist. So erhalten die kräftigen Linien eine räumliche Dimension, eine ungeheure Tiefe und Lebendigkeit, als könnten die Linien nun selbständig auf dem Blatt weiterwachsen.

Auch wenn ihre Druckgraphik zeichnerische und malerische Qualität hat, so ist Daniela Erni voll und ganz die Radiererin, die nicht etwa auf einem Blatt skizziert oder entwirft, sondern direkt auf der Platte arbeitet und den Entstehungsprozess als Teil des endgültigen Werkes erfahrbar macht. Nicht nur die Ränder der mit Mezzotinto-Technik vorbereiteten Fläche, sondern auch später korrigierte lineare Gebilde der Kaltnadelarbeit bleiben wie Schatten stehen, Spuren nicht ganz entfernter Linien. Die Platte selbst hat ihre eigene Vorgeschichte, die erahnbar wird in all den feinen und auch grösseren Verletzungen des Metalls.

Der gesamte druckgraphische Prozess wird von der Künstlerin allein bestritten, von der Auswahl einer Platte mit „ihrer Geschichte“ bis zur Farbwahl, zum Einfärben und Drucken der Platte. Das Aufrauhen, Glätten und Zerkratzen des Metalls ist organisch verbunden mit dem Einsatz von Plattenton und der Einfärbung oft mit zwei Farben, zum Beispiel Orange mit einem Hauch von Blau, und dem Drucken in einem Durchgang. In dieser Einheit des druckgraphischen Prozesses und seinem beeindruckenden Resultat zeigt sich eine Meisterin ihres Faches.

Anita Haldemann
Text für Ausstellung in der Galerie Esther Hufschmid und der Edition Cestio, Zürich, 27. März bis 16. Mai 2004